Wer hat eine Stimme, wer benutzt sie und für welche Zwecke? Das sind grundlegende Fragen einer politischen Ordnung. Noch wichtiger ist aber, ob diese Stimme gehört wird, wie sie interpretiert wird – und von wem. Kann man sich als Sprechende der Interpretation und Zuschreibung durch den Hörenden entziehen, oder birgt die Interpretationsvariable den eigentlichen Zweck der Kommunikation in sich?
Es gibt viele Arten zu sprechen: Man kann schreien, erzählen, flüstern, vermitteln, überreden, lügen – ein Wort hat tausende Möglichkeiten und Kontexte, geäußert zu werden. Seit einiger Zeit werden wir auch mit einer computergenerierten Sprache konfrontiert, die uns in Navigationssystemen, Fitness-Apps, in Mobilfunk-Support-Chats, in Kunstwerken und Haushaltsgeräten begegnet. Meistens sind die Stimmen weiblich konnotiert. Dabei besitzt ein Computer eigentlich weder einen naturgegebenen Körper noch eine Identität. Aber diese Stimmen klingen eher hoch, sanft, sie geben keine Anweisungen, sie schmeicheln uns …
Um solch eine Stimme zu generieren, muss aus Millionen menschlicher Stimmen eine glaubwürdige Stimme zusammengesetzt werden. Akzent, Wortverbindungen, Humor, Klangfarbe, Intonation – alles wird anhand unserer Sprache und unseres Sprechens detailliert von Maschinen analysiert und verarbeitet. Durch smarte Fernseher, vor allem aber durch Smartphones, gelangt man zu unserer Stimme – und speichert sie. Wie bei einer Sirene, die mit ihrem Gesang die Männer anlockte, sind wir von unseren leicht greifbaren Geräten und Apps fasziniert – so stark, dass wir nicht einmal merken, in welches Delirium uns das führt.
„Sound of Siren“, eine Ausstellung, die als Ergebnis des gleichnamigen Seminars an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig im Kunstmuseum Heylshof Worms gezeigt wird, präsentiert 14 künstlerische Positionen, die sich mit Sprache, Stimme und menschlichen Klängen auseinandersetzen und mit deren technischen Äquivalenten. Die Studierenden zeigen ihre Arbeiten in den Schausälen des Museums, wo sie einzelne Räume thematisch bespielen und sich in einen Dialog mit der Sammlung begeben; sowie in den Räumen für temporare Präsentationen.
Die Ausstellung und das Seminar sind durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur Niedersachen gefördert und sind durch die Kooperation mit der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und mit Unterstützung des Museums der Stadt Worms im Andreasstift ermöglicht worden.
Kuratorenteam: Ira Konyukhova und Dr. Olaf Mueckain