Zur Charakteristik der Gemäldesammlung
Überblickt man den Gemäldebestand der Heylschen Sammlung im vorliegenden Katalog, so liegt ihr Schwerpunkt auf der deutschen Malerei. Sie ist die größte Abteilung und auch die einzige, die Gemälde vom 15. bis zum 19. Jahrhundert umfaßt, wobei die meisten aus dem letzten Jahrhundert stammen. Ihr folgt quantitativ die holländische und flämische Malerei, während französische und italienische Bilder nur vereinzelt vertreten sind. Zeitlich gesehen machen aber die Gemälde des 17. Jahrhunderts fast die Hälfte des Bestandes aus, nämlich 59. Aus dem 19. Jahrhundert sind es dagegen nur 33, aus dem 18. Jahrhundert 11, und aus dem 15. und 16. Jahrhundert zusammengenommen ebenfalls nur 11 Gemälde. Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts und die Malerei des 17. Jahrhunderts bestimmen auch das Bild der vorhandenen Gattungen. In großer Breite sind Stilleben, Landschafts- und Genredarstellungen in den Beständen des 17. und 19. Jahrhunderts vertreten, wohingegen sich religiöse Themen vor allem bei den alten Meistern finden, mythologische, historische oder allegorische Darstellungen im Grunde keine Rolle spielen. Wie ein roter Faden zieht sich aber die Gattung des Portraits durch die Sammlung, kulminierend in zahlreichen Bildern von Familienmitgliedern der von Heyls.
Die in dieser Zusammenstellung erkennbare Struktur vermittelt schon auf den ersten Blick den Eindruck einer Privatsammlung, die stark vom Lebensumfeld des Sammlerehepaars geprägt ist und weniger von kunsthistorischen Überlegungen. Bei vielen Stücken werden regionale Verbundenheit (etwa bei den Tafeln von Anton Woensam) und Familientraditionen deutlich, vor allem die sammlerischen Vorlieben des Steinschen Hauses in Köln, aus dem Sophie von Heyl stammte und aus dem viele Kunstgegenstände nach Worms gelangten (z.B. die altdeutsche Kölner Malerei). Dazu kommen Einzelstücke aus Flamen und Italien, Gelegenheitskäufe, die auf Geschäftsreisen in die großen europäischen Zentren erworben wurden, aber auch Gemälde, die man passend zur Innendekoration des Hauses aussuchte, wie z.B. die beiden Gemälde der französischen Maler van Loo und Natoire (Kat.Nr. 69 und 70). Dergestalt bildeten sich die kleinen Abteilungen, die uns heute relativ bunt zusammengewürfelt erscheinen und den Charakter der "Liebhaberei" bestätigen.
Ein ausgeprägtes Interesse, das kunsthistorische Züge erkennen läßt, hatte C. W. von Heyl offenbar an der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. So ist das kleine "Bildnis einer Dame mit Vogelbauer" von Slingeland (Kat.Nr. 39) nicht zufällig das erste Gemälde gewesen, das er 1869 erwarb. Für dieses Sammelgebiet holte er sich auch kunsthistorischen Rat, und zwar dort, wo vergleichbare Privatsammlungen im Entstehen waren und er sich selbst durch seine politische Tätigkeit oft aufhalten mußte: in Berlin. Die Sammlung holländischer Meister trägt geradezu musealen Charakter und erinnert im Aufbau stark an ehemalige Sammlungen wie die von Carl von Hollitscher und Marcus Kappel in Berlin, aber auch an die von Alfred Thieme in Leipzig.
Glanzstücke waren die beiden in den fünfziger Jahren an die Staatsgalerie Stuttgart verkauften Portraits von Frans Hals, zu denen sich Bilder der älteren Portraitmalergeneration wie Mierevelt (Kat.Nr. 26), Cuyp (Kat.Nr. 27), Honthorst (Kat.Nr. 28) und de Kayser (Kat.Nr. 31) gesellten. Hierher gehört auch das Bild einer "Fröhlichen Gesellschaft" des Frans-Hals-Schülers Jan Miense Molenaer (Kat.Nr. 29) und ein heute verlorenes Portrait von Ter Borch. Auch die holländische Genremalerei ist, angefangen von Ter Borchs "Dame mit Magd beim Händespülen" (Kat.Nr. 32) über Bilder der Maler Jacobus Vrel, Nicolaus Maes und Quieringh Brekelenkam (Kat.Nr. 33–35) bis hin zu Jacob van Ochtervelt (Kat.Nr. 37) sehr dicht vertreten und wird von vier kleinformatigen Gemälden von Pieter van Slingeland, Adriaen van der Werff und Willem van Mieris (Kat.Nr. 38–41) thematisch ergänzt.
Ebenso erscheint die holländische Landschaftsmalerei exemplarisch ausgewählt und aufgebaut. Den Anfang machen Bilder von Hendrick Averkamp (Kat.Nr. 43), Jan van Goyen (Kat.Nr. 44–45), Jacob Simonsz. Pynas (Kat.Nr. 42) und Salomon van Ruysdael (Kat.Nr. 46), während die Gemälde von Ruysdaels Söhnen Jacob Salomonsz. (Kat.Nr. 47) und Jacob Isaacksz. (Kat.Nr. 48) zu den jüngeren Landschaftern wie etwa Jan Wijnants (Kat.Nr. 51) überleiten. Dem die realistische Landschaftsauffassung vertretenden Aert van der Neer (Kat.Nr. 49) ist schließlich eine italianisierende Straßenszene von Jan Diercksz. Both (Kat.Nr. 50) gegenübergestellt. Auch bei den Stilleben ist die ältere und die jüngere Malergeneration berücksichtigt: Willem Claesz. Heda (Kat.Nr. 54) und Cornelis de Heem (Kat.Nr. 55), Melchior d’Hondekoeter (Kat.Nr. 57) und Jan Weenix (Kat.Nr. 58), dazwischen van Schrieck (Kat.Nr. 56).
Neben den Holländern hat C. W. von Heyl auch einige flämische Bilder gesammelt. Außer von Peter Paul Rubens (Kat.Nr. 13–16) vor allem wieder Portraits und Genredarstellungen von Anthonis van Dyck (Kat.Nr. 17), Gonzales Coques (Kat.Nr. 18) und David Teniers dem Jüngeren (Kat.Nr. 20–25).
Die Sammlung von Malerei des 19.Jahrhunderts kam insbesondere durch persönliche Kontakte zu verschiedenen Künstlern zustande, die ihre Wurzeln zum Teil im gesellschaftlichen Leben des Steinschen Hauses hatten, wo vor allem Düsseldorfer Maler ein- und ausgingen. Andreas und Oswald Achenbach (Kat.Nr. 78–80), Ludwig Knaus (Kat.Nr. 87 und 88), Benjamin Vautier (Kat.Nr. 85/86) u.a.m. Sie wurden aber auch, was vor allem die Münchener Maler wie Arnold Böcklin (Kat.Nr. 90), Wilhelm von Diez (Kat.Nr. 91), Franz von Lenbach (Kat.Nr. 94/95, 98–101) und Friedrich August von Kaulbach (Kat.Nr. 102) betrifft, über den Bruder Maximilian von Heyl geknüpft. So lassen sich Düsseldorfer und Münchener "Malerschule" in der Sammlung deutlich unterscheiden.
Thematisch sind es aber auch hier wiederum neben den Portraits die Landschaften und Genredarstellungen, die, wie schon bei den Holländern, im Vordergrund des Sammelns standen. Dies zeigt besonders ein der Sammlung leider verlorengegangenes Gemälde des holländischen Malers Barend Cornelius Koekkoek (1803–1863), der die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts wiederzubeleben versuchte und gerade in Düsseldorf einen großen Einfluß auf die zeitgenössische deutsche Malerei hatte.
Bedenkt man noch einmal die von Cornelius Wilhelm von Heyl überlieferte Äußerung, er habe ohne Programm und Ziel zu sammeln begonnen, so hat sich das für Teilgebiete der Sammlung sehr bald geändert. Blieb sein Interesse für die Malerei vor dem 17. Jahrhundert eher sporadisch, d.h. abhängig von Zufällen und Gelegenheiten wie in gewisser Weise auch beim Erwerb von Gemälden aus seiner eigenen Zeit, so baute er die Sammlung holländischer Malerei systematisch aus, vergleichbar nur seiner akribischen Sammlung Frankenthaler Porzellans. Daneben haben ihn in allen Epochen besonders die Gattungen des Portraits, der Landschaft und des Genres interessiert.