Klaus Hansemann:
Der Heylshof
Unternehmerschloß und Privatmuseum
Auftraggeber und Architekten
Der Heylshof, der heute die einzigartige Möglichkeit bietet, eine bedeutende Privatsammlung des 19. Jahrhunderts an ihrem angestammten Platz und in ihrer ursprünglichen Umgebung erleben zu können, gibt in seinem gegenwärtigen Zustand nur einen unvollständigen Eindruck des bei seiner Errichtung im letzten Jahrhundert geleisteten Aufwandes. Nur das Souterrain und das darüber befindliche Erdgeschoß mit den Ausstellungsräumen konnten nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges wiederaufgebaut werden. Mit der Beletage, ihrer repräsentativen Giebelarchitektur und der aufwendigen Dachlandschaft darüber ging für die monumentale Erscheinung des Heylshofes Entscheidendes verloren.
Den Anlaß zum Bau gab die zunehmende Raumnot in dem von der Familie Heyl im Jahre 1851 erworbenen sogenannten "Schlößchen" am Schloßplatz nördlich des Domes sowie der Wunsch des Geheimen Kommerzienrates Cornelius Wilhelm Heyl (1843-1923), dem durch Lacklederfabrikation gewachsenen Wohlstand der Familie in Worms einen angemessenen architektonischen Ausdruck zu geben. Somit war der 1884 fertiggestellte Heylshof als ein repräsentatives Stadthaus gedacht, das über die Erfordernisse bequemen Wohnens hinaus der hervorragenden Stellung der Familie Heyl in Worms einen entsprechend würdigen Rahmen zu geben hatte. Dabei haben insbesondere die geschichtliche Bedeutung des Domareals und des ehemals fürstbischöflichen Gartens sowie der urbane Kontext die Form und Lage des Gebäudes entscheidend bestimmt.
Als Wohnhaus wurde der Heylshof jedoch nur temporär genutzt. Neben zahlreichen anderen Besitzungen und der "Sommerresidenz" Gut Pfauenmoos in der Schweiz erwarb Cornelius Wilhelm Heyl 1883 aus von Dalbergschem Besitz Schloß Herrnsheim in Herrnsheim bei Worms. Der Heylshof, der vermutlich von vornherein auch die Kunstsammlungen seiner Besitzer aufzunehmen hatte, diente so immer mehr als Gästehaus für die zahlreichen Künstler und hochgestellten Persönlichkeiten, mit denen die Familie verkehrte. Er gab den repräsentativen Rahmen für festliche gesellschaftliche Anlässe, die von Sophie von Heyl (geb. Stein) arrangiert wurden. Den Tagebucheintragungen ihres Mannes zufolge war sie maßgeblich an der Planung und Einrichtung des Heylshofes beteiligt.
Mit dem Semperschüler Alfred Friedrich Bluntschli (1842-1930) verpflichteten die Auftraggeber einen Architekten, der mit der Formensprache der Renaissance und des Barock bestens vertraut war. Zusammen mit seinem Partner Karl Jonas Mylius (1839-1883) hatte er schon zahlreiche Villen im Stil der Neorenaissance in Frankfurt und im süddeutschen Raum errichtet. Er war an den Umbauten von Schloß Holzhausen bei Marburg beteiligt und entwarf den "Frankfurter Hof", ein bekanntes und noch heute existierendes Palasthotel in Frankfurt am Main. Für sein Projekt zum Reichstagsgebäude in Berlin 1872 bekam Bluntschli im ersten Wettbewerb den zweiten Preis zugesprochen. Seine Pläne für den zweiten Wettbewerb 1882 wurden sogar von der deutschen Regierung angekauft. Für eine den Ansprüchen seiner Auftraggeber genügende Prominenz dürften diese und weitere Teilnahmen an bedeutenden Wettbewerben sowie die Berufung zum Professor an die ETH-Zürich (1881) gesorgt haben.
Für die Ausstattung des Inneren und die Dekoration von Teilen des Außenbaus engagierte die Familie Lorenz Gedon (1844-1883). Mit dem weit über Münchener Künstlerkreise hinaus bekannten Ausstellungsarchitekten, Festdekorateur und Inneneinrichter ist die Familie durch den Bruder von C.W. Heyl, den Rittmeister Maximilian Heyl (1844-1925), bekannt geworden. Dieser lernte Gedon 1879 auf der Pariser Weltausstellung kennen und verpflichtete ihn für die Inneneinrichtung des von H. Pflaume 1870 erbauten Majorshofes am Lutherring in Worms, der heute nicht mehr existiert. Maximilian Heyl war mit der Tätigkeit des Künstlers so zufrieden, daß er den Majorshof identisch, wenngleich spiegelverkehrt, in Darmstadt noch einmal errichten ließ. Gedon war in den siebziger Jahren maßgeblich an der Durchsetzung des Stils einer deutschen Neorenaissance beteiligt. Um 1880 schloß er sich, stilistisch am süddeutschen Rokoko orientiert und an lokale Münchener Traditionen anknüpfend, der neobarocken Bewegung an. Die Heylsche Familie dürfte bei der Hinzuziehung Gedons bewogen haben, daß dieser als Ausstellungsarchitekt und Festdekorateur Erfahrung mit der Präsentation von Kunstwerken in luxuriösem Rahmen hatte. Als Sammler von Antiquitäten und Fabrikant von Dekorationselementen war Gedon bestens geeignet, Stücke zu beschaffen oder anzufertigen, die dem Geschmack seiner wohlhabenden Auftraggeber entgegenkamen. Mit Bluntschli hat Gedon vermutlich schon beim Umbau von Schloß Holzhausen zusammengearbeitet. Wieweit sich der Einfluß des von Swarzenski erwähnten Gabriel von Seidl (1848-1913), der ebenfalls in Münchener Künstlerkreisen verkehrte, in der Einrichtung des Heylshofs bemerkbar machte, kann nicht mehr sicher festgestellt werden.