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A.R. Penck, Ernesto Marques: Strichmännchen

10. April bis 22. Mai 2016: A.R. Penck, Ernesto Marques – „Pünktchen, Pünktchen, Komma, Strich – Strichmännchen in der Kunst der Gegenwart“

A.R. Penck

Der Mannheimer Kunsthändler und Sammler Reinhold Neskudla hat schon frühzeitig graphische Werke des Dresdner Malers und Bildhauers A.R. Penck (geb. 1939) gekauft und ausgestellt. A.R. Penck gehörte zur Zeit der DDR zur Gruppe der aufsässigen Künstler, die gegen das starre System rebellierten und einen Stil schufen, der auch heute noch vital und kraftvoll wirkt. Pencks Arbeiten nehmen Elemente der afrikanischen Volkskunst auf. Seine Figuren wirken wie Totemzeichen, geheimnisvoll und faszinierend zugleich.

Ernesto Marques

Ernesto Marques wurde 1975 in Portugal geboren. Er lebt seit vielen Jahren in Jülich am Niederrhein und wurde vor allem durch sein bildhauerisches Werk bekannt. Er benutzt die Strichmännchen in erzählerischer Absicht. Den Mythos von Sisyphos oder die Geschichte vom weltentragenden Atlas hat er verblüffend einfühlsam in beweglich scheinende Kleinskulpturen übertragen. Neben der Klassik ist vor allem die Gegenwart in seinem Werk präsent, denn Sisyphos hat viele heute Enkel!

Auszüge aus der Eröffnungsrede von Dr. Helmut Orpel (Autor und Kunsthistoriker, Mannheim):

»Wir sehen hier die Arbeiten von zwei Künstlern, die auf den ersten Blick gesehen in zwei ganz unterschiedlichen Bezugswelten aufgewachsen sind und gewirkt haben. Wie können solche Positionen zusammen harmonieren? Bindeglieder sind die Strichmännchen, stark abstrahierte menschliche Figuren als Ausdrucksträger. Aber nicht nur das ist zwischen diesen beiden doch sehr unterschiedlichen Künstlern ähnlich. Es ist die Art und Weise, wie diese Figuren in Bewegung gesetzt sind. Sie rennen, laufen, winden sich bei Penck wie bei Marques gleichermaßen und von daher, so scheint es, gibt es auch einen Bezug zur Sammlung Klee, die sich neben unseren Ausstellungsräumen befindet, denn diese Andine, also südamerikanische Ausprägung des Barock, zeichnet sich gerade durch die theatralische Dynamik aus, die der Skulptur früherer Epochen noch weitgehend fehlt.

Was bei Pencks Arbeiten besonders hervorsticht, ist der dynamische Eindruck. Die Bilder haben tatsächlich sehr viel vom Experimentalfilm. Die Figuren scheinen sich über die Blätter hinwegzubewegen, zu tanzen und miteinander in Kontakt zu treten. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die Blätter Pencks keinen zentralperspektivischen Aufbau haben. Manche scheinen, als seien sie flach auf dem Boden liegend von oben bemalt. Wie vegetative Strukturen entwickeln sich die schwarzen Umrisslinien aus den Grundornamenten heraus und überlagern diese, so dass ein spannungsvoller Zwischenraum entsteht.

Dieses intensive Sehen und Erkennen von künstlerisch nutzbaren Potenzialen im alltäglichen Umfeld könnte auch als Leitmotiv über allen Arbeiten von Ernesto Marques stehen. Bei den „Homos“ und den „Boys“, die Sie hier sehen, handelt es sich um zwei grundverschiedene Aspekte der Darstellung von sozialen Strukturen. Sind es bei den „Homos“ zum Teil allegorische Figuren, so handelt es sich bei den Boys um mimetische Spiegelung von Gruppenverhalten unter Jugendlichen. Gruppen von Jugendlichen, die hier zusammenstehen und chillen, wie es auf neudeutsch heißt. Die Aufstellung der einzelnen Momente ist nicht festgelegt, jede Veränderung aber ergibt ein neues Gruppenbild, das eine andere Geschichte erzählt.

Was an dieser Stelle sehr reizvoll erscheint, ist der Vergleich zwischen dem unterschiedlichen Gebrauch jener stark abstrahierten Figuren bei Penck und bei Marques. Erscheinen sie bei Penck eher magisch, für sich selbst sprechend, so sind sie bei Marques oft allegorisch, d. h. sie verkörpern eine Geschichte wie zum Beispiel den Mythos des Sisyphos oder den weltentragenden Atlas. Solche Bezüge sind bei Penck nicht zu erkennen, da bewusst ausgeschlossen, denn die Zeichenwelt, die uns hier entgegentritt, ist uns tatsächlich fremd, wohingegen bei Marques die griechische Mythologie, die Quelle, aus der auch die Renaissance schöpfte, immer noch fließt.«